Erst der goldene Ball als Deutschlands Fußballer des Jahres, dann die FIFA-Vase mit der silbernen Kugel? Joachim Löw würde Robert Lewandowski am liebsten einen Strich durch diese Rechnung machen. "Ich habe nichts gegen Robert Lewandowski, er ist ein Torjäger der Superklasse", sagte der Bundestrainer dem kicker, "aber für mich wäre der Weltfußballer in diesem Jahr: Manuel Neuer."
Neuer? "Manu ist eine Klasse für sich. Wahnsinn, unglaublich", schwärmte Löw von seinem Kapitän, den er als Triple-Garanten von Bayern München sieht - und damit noch eine Stufe über den Ausnahmestürmer Lewandowski stellt. Neuer habe bei der Finalrunde der Champions League "den Laden hinten dicht gehalten" und sei "die ganze Saison 2019/20 in einer Superform" gewesen, betonte Löw: "Wie er dasteht, diese Ruhe, diese Ausstrahlung, du hast das Gefühl, er ist omnipräsent."
Rummenigge spricht sich für Lewandowski ausEin Torhüter als Weltfußballer - das gab es bei der 1991 eingeführten FIFA-Wahl noch nie. Oliver Kahn war 2002 Zweiter, Neuer selbst im Jahr des WM-Triumphs 2014 Dritter. Bislang einziger deutscher Sieger war im Jahr der Premiere Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, damals bei Inter Mailand.
Neuers Klubchef Karl-Heinz Rummenigge hatte sich zuletzt mehrfach für Lewandowski ausgesprochen, der am Sonntag als Deutschlands Fußballer des Jahres gekürt wurde. Außerdem versuchte er im persönlichen Gespräch, FIFA-Boss Gianni Infantino vom Gedanken abzubringen, die Wahl angesichts der Corona-Erschütterungen ausfallen zu lassen. "Robert hat die Saison seines Lebens gespielt", sagte Rummenigge, "er hat die Wahl so verdient wie kein anderer."
Auch Flick sagt: LewyAuch Triple-Trainer Hansi Flick sprach sich für "Lewy" aus. Löw hält dagegen. Es sei "super, natürlich klasse, wenn du wie Lewandowski 15 Tore schießt. Aber: Gegen Lyon und Paris war Manuel in schwierigen Situation zur Stelle, sonst steht es vielleicht 0:1 oder 1:1", sagte er. Neuer habe "einen ganz großen Anteil am Gewinn der Champions League".
Lewandowski (32) war nicht nur in der Königsklasse, sondern auch in Bundesliga und DFB-Pokal der erfolgreichste Torschütze - das ist einmalig. Bei der Wahl zu Deutschlands bestem Kicker erhielt der Pole 276 Stimmen - Neuer eine einzige. Stimmabgabe war allerdings bis 7. August - rund zwei Wochen vor Neuers Heldentaten im Finale gegen Paris St. Germain.
Bei der Weltfußballer-Wahl könnten Neuers Paraden berücksichtigt werden. Pikant: Löw darf dann wie alle anderen Nationaltrainer mit abstimmen. Und auch Neuer sowie Lewandowski können als Kapitäne ihrer Auswahlteams ihre persönliche Top 3 wählen.
"Ein paar Monate hat das Jahr noch", sagte Lewandowski: "Wir machen weiter unseren Job und setzen unsere Topleistungen fort, und ich hoffe, dass jeder dann sieht und honoriert, was wir gemacht haben." Oder er. Oder Neuer.
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