Es war im Sommer 2014, kurz nachdem mein Buch über Jordan auf den Markt kam. Mein Handy klingelte und LaQuetta Robinson sprach auf meinen Anrufbeantworter, dass sie gerne mit mir reden würde. Als ich Michael Jordan: The Life schrieb, hatte ich mich vergeblich um ein Interview mit ihr bemüht. Jetzt, da sie das Buch gelesen hatte und es ihr gefiel, war sie bereit, mit mir zu sprechen.
Als Jordan zu Schulzeiten ein großer Fan von Magic Johnson war, war es LaQuetta Robinson, die ihm eine Plakette für sein Auto mit der Aufschrift „Magic Mike“ schenkte. Später würde sein Trainer Dean Smith aus seiner Zeit in North Carolina darauf bestehen, dass er derjenige war, der ihn von diesem Spitznamen abbrachte. Jordan und Robinson lernten sich 1980 bei einem Spiel ihrer High-School-Basketballteams kennen.
Er spielte für die Laney Varsity Highschool und sie war Cheerleaderin der Southern Wayne High. Dort spielte auch ihr Cousin, Linwood Robinson, der später dank eines Sportstipendiums an die Universität South Carolina gehen würde. LaQuetta begleitete seine Spiele als Cheerleaderin, obwohl sie durch eine Krankheit gehandicapt war; sie litt unter einer chronischen Arthritis und musste Stützschienen an den Beinen tragen. Doch davon ließ sie sich nicht aufhalten.
Vor anderen ein Macho, alleine sensibel
Bis zu jenem Tag hatte Robinson nie was von Jordan gehört. Am Tag des Spiels wurde jedoch viel über ihn gesprochen. Sie wurde neugierig und fragte Linwood. Dieser wiederum war gar nicht begeistert angesichts ihres Interesses für einen gegnerischen Spieler. LaQuetta fand Jordan erst kurz vor dem Spiel. Er stand mit seinem Teamkollegen Leroy Smith an einem Imbissstand und plauderte mit ihm. LaQuetta spitzte die Ohren und bekam den Eindruck, dass sie sich über sie lustig machten. Ihre Beobachtung setzte sich im Spiel fort.
Ihr fiel es sofort auf, dass er in kritischen Momenten die Zunge raushängen ließ. Überhaupt beeindruckte sie sein Ehrgeiz. Später sagte sie einmal, dass seine Entschlossenheit und sein starker Wille ihr besonders imponierten. Beide interessierten sich füreinander, auch wenn sie immer noch sauer darüber war, dass sich Michael vermeintlich über sie lustig gemacht hatte. Es dauerte nicht lange und beide telefonierten miteinander – dank Linwood, der ein Einsehen hatte und die Telefonnummer seiner Cousine an Michael weitergab.
Jordan überzeugte sie, dass er sich an jenem Tag nicht lustig gemacht hatte. Sie telefonierten so oft und ausgiebig, dass sie irgendwann aufgrund hoher Telefonrechnungen auf Briefe umsteigen mussten. Über Michaels Bett hingen einige Fotos von LaQuetta. Vor anderen habe er sich oft machohaft verhalten, aber mit ihr sei er immer sensibel gewesen. Er schrieb ihr sehr viele Briefe. Sobald ihm im Unterricht langweilig war, holte er Stift und Notizbuch heraus, um ihr etwas zu schreiben.
Der typische, amerikanische Teenager
Wie es sich für einen verliebten Teenager gehört, bewahrte LaQuetta alle seine Briefe auf. 2011 tauchte einer davon in der Öffentlichkeit auf; sie hatte nicht bemerkt, dass eine Verwandte von ihr zwei Briefe gestohlen hatte. Die Polizei verdächtige sogar kurzzeitig LaQuetta selbst, dass sie den Brief für 5.000 Dollar publik werden ließ, doch dem war natürlich nicht so. Sie klagte selbst, bekam den Brief zurück, doch da war es längst zu spät.
Was Michael ihr schrieb war so merkwürdig wie typisch für einen amerikanischen Teenager: „Hab mich so gefreut, als du mir nach unserer Wette mein Geld gegeben hast. Danke, dass ich dein Jahrbuch mitnehmen durfte. Hab es allen in der Schule gezeigt und alle meinten, du bist eine sehr schöne junge Frau. Das finde ich auch, die haben Recht. Aber bilde dir bloß nichts darauf ein. Tut mir leid, dass ich an meinem Geburtstag nicht kommen kann, mein Vater will meine Mannschaft zum Essen einladen. Bitte sei nicht sauer, ich versuche, in der Woche ab dem 14. Februar zu kommen. Für den Fall, dass es klappt, plan bitte schon mal ein paar Aktivitäten für uns.“
Der junge Mike schien sehr bestrebt, seine romantischen Gefühle auszudrücken. Aber wie jeder verliebte Teenager hatte er auch immer im Kopf, dass sie seine Gefühle vielleicht irgendwann nicht mehr erwidern würde und zog sich schnell zurück, wenn er sich zurückgewiesen fühlte. Er machte ihr oft Komplimente, entkräftete diese aber wieder. Und die geheime Wette der beiden sowie seine Aufregung über seinen kleinen Gewinn scheinen wie Vorboten für seine spätere Entwicklung gewesen zu sein. Sein Spieltrieb und Wettkampfgeist waren eben schon früh besonders ausgeprägt.
Nur die Ziele zählen
Jordans erste Liebe fand ihren Höhepunkt in jenem Frühling. Zu der Zeit fand auch der Schulball statt, ein wesentliches Ereignis für die amerikanische Jugend. Von diesem Abend gibt es ein Foto, das die beiden ganz in Weiß zeigt: LaQuetta trägt ein hochgeschlossenes Kleid mit Dreiviertel-Ärmeln, die ihren weißen Armreif, ein Geschenk von Jordan, sichtbar machen. Ihre Haare fallen besonders auf. Sie trägt sie offen mit einem Mittelscheitel – kein Schnickschnack, keine besondere Frisur. So kommen ihre glänzenden Augen sowie ihre hohen Wangenknochen zur Geltung und mit ihrem natürlichen Lächeln wirkt sie sehr fein.
Sie scheint sehr entspannt, vor allem, wenn man bedenkt, dass die meisten bei einem solchen Ball aufgeregt sind. Sie sitzt vor der vorbereiteten Fotowand und hält ihre Hände auf dem Schoß zusammen. Sehr authentisch wirkt sie in einem Alter, in dem alle, auch Mike, vorgeben, ganz anders zu sein als die anderen. Er steht hinter ihr mit einer Hand auf ihrer Schulter. Seine Krawatte und sogar seine Ansteckblume sind weiß. Der Smoking und sein Hemdkragen sind ihm zu groß.Er würde noch oft in irgendwelcher Kleidung posieren, von hässlicher Golfkleidung bis hin zu Produkten aus seiner eigenen Marke.
Sein Lächeln ist verhalten, so als würde er den Moment zwar nicht missen wollen, aber trotzdem schon im Kopf haben, dass noch viel Größeres kommen wird. Ihm wird dieser Tag nicht in besonderer Erinnerung bleiben. Er wird ihn weniger an die gute Zeit, die er mit Robinson verbrachte, erinnern als daran, dass er an dem Tag schon wusste, dass es bald mit ihm nach oben gehen sollte, auch wenn noch nicht klar war, wohin. Aber er brannte darauf, es herauszufinden. Er hatte schon damals seine Ziele vor Augen und alles andere waren Lückenfüller.
Einwurf: Drei Fragen an Roland Lazenby
Herr Lazenby, in Ihrem Buch gehen Sie detailliert auf Jordans familiären Hintergrund ein. Warum war Ihnen das so wichtig?
Michael Jordans Urgroßvater Dawson Jordan kam 1891 zur Welt. Im selben Jahr erfand James Naismith den Basketball. Dawson Jordan hatte aber keine Verbindung zum Basketball. Er war 1,65 m groß und hatte eine Lähmung. Er war Bauer; die Landwirtschaft war zum Ende des 19. Jahrhunderts die Haupteinnahmequelle in den USA. Als Michael geboren wurde, sah die Welt anders aus. Er verbrachte viel Zeit mit seinem Uropa – besonders bis zu seinem siebten Lebensjahr. Wie die ganze Familie, hatte er großen Respekt vor ihm. Als sein Uropa starb, war Michael 14. Dawson Jordan war das Familienoberhaupt, hielt die Familie liebevoll zusammen und arbeitete sehr hart. Es hat Spaß gemacht, Nachforschungen über die Familie anzustellen.
Was war für Sie der außergewöhnlichste Moment von Michael Jordan?
Es war 1983 in Charlotteville, Virginia – sie spielten gegen die Virginia University. Deren großer Star war Ralph Sampson. Zwischen Virginia und North Carolina herrschte ein großer Konkurrenzkampf. Jordan wollte eigentlich auch bei Virginia spielen, aber zu der Zeit wollte ihn deren Trainer nicht nehmen. So wie man es von seinem Kampfgeist gewohnt war, machte ihn diese Ablehnung noch stärker. Besonders gegen Virginia steigerten sich sein Ehrgeiz und sein Eifer. Eineinhalb Minuten vor Abpfiff schaffte es Sampson mit einem Wurf, den Rückstand auf sechs Punkte zu reduzieren. Beim nächsten Angriff hatte er wieder den Ball. Er holte auf der linken Spielfeldseite zu einem Halfcourtshot aus, aber da sprang Jordan ihm in den Weg und blockte ihn. Dieser Block ist immer noch die beeindruckenste sportliche Darbietung, die ich als Sportjournalist je gesehen habe. Und dann hatte ich auch noch das Glück, zwölf Jahre nach diesem besonderen Moment vor einem Spiel in Charlotteville im Umkleideraum mit ihm darüber sprechen zu können.
Was unterscheidet Michael Jordan Ihrer Meinung nach am meisten von anderen Spielern?
Er hat den Basketball auf ein höheres Niveau gehoben und danach konnten die anderen Spieler nur noch versuchen, an sein Level heranzukommen. Das ist der Unterschied.
LaQuetta ein Teil der Familie
Seine Beziehung zu LaQuetta war zwar schon leidenschaftlich, aber noch sehr kindlich. In seinen Briefen schrieb er ihr auch Gedichte. „Wir waren fast wie Geschwister, es war wirklich merkwürdig“, stellt LaQuetta fest. Michaels Eltern luden sie zu allen möglichen Gelegenheiten ein. Seine Mutter mochte sie sehr und ihr gefiel auch, dass sie religiös war. „Seine Mutter war sehr süß und eine vernünftige Frau“ erzählt mir Robinson. „Ich denke, sie respektierte mich. Sie meinte auch mal, dass ich mir nicht alles von Mike sagen lassen soll.“
LaQuetta wurde schnell Teil der Familie und traf sich sogar mit Michaels Mutter und Schwestern, wenn er selbst gar nicht dabei war. „Wenn Mike nicht gut drauf war, habe ich was mit seiner Mutter gemacht.“ Sie erinnert sich mit einem Lächeln auf den Lippen: „Ich mochte die Jordans, sie haben mich in ihre Familie aufgenommen.“
Mit der Zeit wurde seine Mutter so etwas wie LaQuettas Komplizin. Wenn Michaels Vater ihm die Autoschlüssel nicht geben wollte, brachte sie ihn zum Busbahnhof und kaufte ihm ein Ticket, damit er zu ihr nach Goldboro fahren konnte. Mit der Zeit änderte sich Michael aber und LaQuetta konnte sein Verhalten zum Teil nicht mehr tolerieren, was ihn aber nicht zu beeindrucken schien.
„Mike provozierte seine Gegner“
„Mike wirkte auf andere sehr selbstbewusst, wobei ich denke, dass das nur Fassade war. Er öffnete sich kaum jemandem, ich war eine Ausnahme. Dafür bin ich sehr dankbar“, erzählt sie: „Er ist in einer spirituellen Familie großgeworden und war ein guter Mensch. Trotzdem brauchte er immer Bestätigung und musste sich auch selbst immer etwas beweisen. Doch ich habe gemerkt, dass er mir immer zuhörte, wenn ich ihm die Stirn bot. Er gab zwar keine Fehler zu und verhielt sich auch nicht dementsprechend. Aber er hörte wenigstens zu.“
Sie sah auch, wie er beim Basketball ausflippen konnte. Auf dem Spielfeld hatte er sich nicht unter Kontrolle. Robinson hat hierfür eine Erklärung: „Mike provozierte seine gegnerischen Spieler mit Worten, um sie auf die Palme zu bringen. So verwirrte er sie und nahm sie aus dem Spiel.“ LaQuetta war auch bei Michaels erstem „Grippe-Spiel“ dabei – bei einem weiteren Spiel gegen Southern Wayne hatte er mit Übelkeit zu kämpfen, aber traf sogar einen Halfcourt-Shot. Trotzdem verlor seine Mannschaft Laney.
Die Beziehung der beiden dauerte die High-School-Zeit über und noch ein Jahr, nachdem Jordan zum College wechselte. Als er 1982 mit den Tar Heels die NCAA-Meisterschaft gewann, fieberte Robinson von New Orleans aus mit. „Als Mike am College anfing, ein Star zu werden, fingen die Leute an, sich vor ihm zu ducken. Und das nutzte er aus“, erinnert sich Robinson.
Das letzte Gespräch
Sie trennte sich im Herbst darauf von ihm, zu Beginn seines zweiten College-Jahres. Mit seiner Familie blieb sie danach eng verbunden. Besonders seine Mutter hielt sogar nach Jahren weiter den Kontakt zu ihr. Gelegentlich trafen sich Mike und LaQuetta auch später noch. Er fragte sie dann immer, ob sie mittlerweile geheiratet hätte und ihre Antwort war stets ein Nein. Er machte sich über ihre Haarfarbe oder Frisur lustig, woraufhin sie entgegnete, dass sie ja immerhin Haare hätte. Einmal sagte er sogar zu ihr, dass er als Schuhverkäufer bei Foot Locker geendet wäre, wenn sie geheiratet hätten.
Robinson war sehr überrascht, als Jordan Juanita Vanoy heiratete. Denn die beiden hatten sogar eine Auszeit gehabt, aber dann stellte sich heraus, dass sie schwanger war. Eines der letzten Male, als Mike und LaQuetta miteinander gesprochen hatten, war 1995 vor seinem Comeback, nach seinem ersten Abschied vom Profibasketball. Robinson erinnert sich: „Ich habe versucht, ihn davon abzuhalten, denn ich war der Meinung, dass der professionelle Basketball ihn fertigmachen würde. Ich war immer offen und ehrlich zu ihm, aber ihm gefiel das nicht, denn er mochte nicht, wenn man ihm die Meinung sagte oder ihm nicht zustimmte.“
Robinson versuchte auch immer wieder, ihn dazu zu bringen, mehr über den Glauben nachzudenken. Rückblickend sieht sie die Zeit mit ihm positiv: „Wenn ich zurückdenke, muss ich sagen, dass ich eine schöne Zeit mit ihm hatte. Mein Bild von ihm hat sich seither auch nicht geändert. Auch heute sehe ich in ihm immer noch nicht diesen prominenten Mike.“
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