Jetzt kann der Typ sogar perfekt Klavier spielen. So geschmeidig, wie er den Ball oft kurz nach dem Anstoßpunkt, auf Höhe des Mittelkreises, annimmt; in den letzten Jahren oft nach Zuspiel von Andrés Iniesta, Xavi oder Nachfolgern.
Darf man denn eine stinknormale Ballannahme als geschmeidig bezeichnen? Darf man, wenn es Lionel Messi ist, der den Ball annimmt. Es sieht fast jedes Mal so aus, als würde er die Ballannahme neu erfinden. Es sieht viel zu schön aus, um nicht darauf zu reagieren.
So gewaltig, wie er oft zu einem Tempodribbling ansetzt und alle Gegenspieler längst wissen, dass sie eigentlich nur Statisten sind, weil Messi nicht aufzuhalten sein wird. Er wird durchkommen, egal wie brutal man ihm begegnet oder wie taktisch klug die Idee auch sein mag, ihn am Vorstoß zu hindern. Es hilft meistens nichts. Messi ist die höhere Gewalt und wird am Ende siegen.
Er spielt gar nicht Klavier
Und so präzise, wie es sonst seine Torabschlüsse sind, die meistens damit enden, dass Messi mit nicht ganz ausgestreckten Armen jubelt, die Fans „Meeesssiiiii, Meessssiiiii“ singen und die Welt das nächste Tor des Argentiniers zählt.
Messi sitzt also vor einem Konzertflügel, spielt lächelnd die Hymne der Champions League und wirkt dabei so selbstsicher wie auf dem Fußballplatz. Was kann dieser Mann eigentlich nicht, denkt man sich und verzweifelt zuweilen am eigenen talentfreien Dasein. Inzwischen kam heraus, dass Messi gar nicht Klavier spielen kann, sondern ein professioneller Musiker, der zufällig einen ähnlichen Körperbau hat, der eigentliche Virtuose in diesem Video ist, das vor Monaten in den sozialen Medien die Runde machte.
„Sie haben am Computer seinen Kopf auf meinen gesetzt, die Hände gehören mir“, erzählt Tomàs Fosch. Doch man nahm Messi den Pianisten ab. Wer so gut Fußball spielen kann, wer so zaubert, muss auch andere Kunstformen beherrschen.
Löw schwärmt
Die Frage, ob Lionel Andrés Messi Cuccittini, geboren am 24. Juni 1987 in Rosario, der beste Fußballer des Planeten ist, kann nicht abschließend beantwortet werden, weil es dafür keine allgemeingültige Bewertung gibt.
Vergleiche mit Größen anderer Generationen wie Pelé oder Maradona sind unzulässig, weil die Umstände anders waren; die Vergleiche mit Cristiano Ronaldo, lange Konkurrent bei Real Madrid, nun in Turin, haben eher eine Daseinsberechtigung. Doch auch hier wird es schwer.
Bundestrainer Joachim Löw sagt, dass Ronaldo „sensationell gut, professionell und eine unglaubliche Tor-Maschine“ sei, doch Messi halte er für „den komplettesten Spieler“. Löw begründet: „Er ist der geniale Vorbereiter, der in jeder Saison seit zehn Jahren gefühlt 30 bis 40 Vorlagen gibt und selbst noch einmal 50 Tore erzielt.
Darüber hinaus hat er die spektakulärste Spielweise: Die Tempo-Dribblings von Messi sind unerreicht. Er kann in einer Hälfte acht, neun Spieler aussteigen lassen – seine Tore bleiben einfach in Erinnerung.“
Diego Armando Maradona war vielleicht der beste Fußballer der Welt, er schoss das schönste WM-Tor aller Zeiten, er veränderte Welten. Ein Happyend erlebte Maradona selbst nur selten.
Messi, der Pianist. Ronaldo, der Schlagzeuger
Liebhaber des Fußballs, die es eher mit Ronaldo halten, werden mit guten Argumenten dagegenhalten und auch sie werden recht haben. Beide Spieler haben längst Legenden-Status erreicht, über beide wird auch gesprochen werden, wenn wir es nicht mehr tun können. Als SOCRATES in der 21. Ausgabe eine Jury die 10 größten Legenden des Sports wählen ließ, fand sich Messi in der Top10, aber nicht Ronaldo. Woran liegt das? Kann es nur die Sympathie sein? Oder liegt es daran, dass „Leo“ so Fußball spielt wie ein Pianist, während Ronaldo eher der Schlagzeuger ist, wenn er auf dem Platz steht?
Dessen Landsmann António Lobo Antunes ist ein bedeutender Schriftsteller in Portugal. In seinen Werken geht es oft um Tod, Einsamkeit, Lebens- und Liebesfrust. Die Zeit schrieb mal über ihn, dass „Antunes’ Romane barocke Untergangsgeschichten vom portugiesischen Wesen und Verwesen, bizarr und melancholisch“ sind.
Ein Mann, der die Finsternis in sich auf dem Papier trägt, wohl auch wegen einer eigenen, schwierigen Vergangenheit. Das perfekte Leben beschrieb Antunes mal so: „Es gibt drei oder vier wichtige Dinge im Leben: Bücher, Freunde, Frauen und Messi.“
Wenn Messi mal wieder den Ball kurz nach dem Anstoßpunkt, auf Höhe des Mittelkreises, geschmeidig annimmt, sämtliche Statisten im gewaltigen Tempodribbling ausspielt und dann so präzise abschließt, sodass er am Ende mit nicht ganz ausgestreckten Armen jubelt, während die Menschen „Meeesssiiiii, Meessssiiiii“ singen, mag man dem kaum widersprechen.
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