Meinen Eltern war es immer egal, ob ich Fußballprofi werde oder nicht. Ob ich damit Erfolg habe oder nicht. Ob ich damit Geld verdiene oder nicht. Ihnen war viel wichtiger, dass ich glücklich bin mit dem, was ich tue. Und weil sie gesehen haben, dass der Fußball mich erfüllt, haben sie mich dabei stets unterstützt.
Ich kann mich gut an die Zeiten erinnern, als ich noch ein Kind war. Nach jedem Spiel rannte ich mit großen Augen zum Spielfeldrand und fragte meine Mum: „Habe ich gut gespielt?“ Statt mir eine Antwort zu geben, stellte sie mir eine Gegenfrage: „Hat es dir Spaß gemacht, heute zu spielen?“ Ich nickte eifrig. Und dann sagte meine Mum: „Okay, dann hast du ein unglaublich gutes Spiel gemacht.“
Meine Eltern haben gesehen, wie glücklich mich der Fußball macht. Leider habe ich gelegentlich erlebt, dass es Eltern gibt, die anders mit ihren Kindern umgehen. Eltern, die statt den kleinen Moment des Glücks das große Geld in der Ferne schimmern sehen. Eltern, die am Spielfeldrand Karrierepläne für ihre Kinder schmieden. Eltern, die ihrem Nachwuchs vorgeben, Profi werden zu müssen.
"Hab Vertrauen in den Trainer"
Meine Erfahrung ist, dass sich diese Erwartungshaltung eher negativ auf die Leistung von Kindern auswirkt. Weil man ihnen damit den Spaß am Spiel nimmt. Doch nur wer jeden Tag voller Freude auf den Platz geht, wird im wahrsten Sinne des Wortes am Ball bleiben und somit am Ende eine Chance haben, sich den Traum vom Leistungssportler selbst zu erfüllen.
Wenn ich in meiner Heimat bin, besuche ich manchmal Spiele von Jugendmannschaften und beobachte einfach das Treiben. Dann sehe ich hin und wieder Väter, die nur wenige Meter entfernt vom Trainer der Mannschaft stehen und von außen ins Spiel hineinschreien und Anweisungen geben. Wenn ich einen Bezug zu dem Vater habe, kommt es vor, dass ich mich neben ihn stelle und ihm sage: „Hab Vertrauen in dein Kind und den Trainer.“
Für die Eltern ist es nicht immer leicht: Sie sollen begeistert sein, aber nicht bestimmend. Ich weiß, wie groß der Aufwand für viele von ihnen ist, um ihren Kindern zu ermöglichen, jede Woche ins Training gehen und am Wochenende an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Diese Unterstützung ist gar nicht hoch genug einzustufen. Und der überwiegende Teil der Eltern will einfach nur das, was meine Eltern auch wollten: Ihr eigenes Kind glücklich sehen.
Der Artikel erschien zuerst in Ausgabe #33: Jetzt nachbestellen
Eine Stunde Fahrt
Dabei wissen sie ganz genau, dass trotz aller Hingabe die Chance, vom Sport leben zu können, äußerst gering ist. Und trotzdem unterstützen so viele Mütter und Väter in der Welt ihre Kinder beim Ausüben ihrer sportlichen Leidenschaft vorbehaltslos. Das finde ich toll. Schon im Alter von zehn Jahren spielte ich in der Stadt Pamplona für den Verein Osasuna. Dort zu trainieren, bedeutete, eine der besten Ausbildungen im spanischen Fußball zu erhalten. Normalerweise übernachteten die Spieler, die nicht aus Pamplona stammten, in der Akademie des Klubs. Aber insbesondere meiner Mum war es sehr wichtig, dass ich bei meiner Familie lebte. Das Problem: Meinen Heimatort Ayegui und Pamplona trennt eine gute Autostunde. Und die Straße in die Stadt war damals nicht besonders gut ausgebaut.
Hinzu kam, dass meine Mum bei meinem Onkel in einer Metzgerei arbeitete, sich jedoch oft frei nehmen musste, weil ich eben weiter daheim lebte und drei- bis viermal die Woche zum Training musste. Ich weiß, dass meine Mum sich gerne für mich freigenommen und mich wirklich gerne gefahren hat. Ich weiß aber auch, dass es ein riesiges Investment in meine Zufriedenheit war, für das ich ihr heute noch sehr, sehr dankbar bin.
Meine Mum brachte mir auch bei, dass die Entscheidung, unbedingt Fußball spielen zu wollen, auch bedeutete, Verantwortung zu übernehmen. Es gab da diesen einen Wintertag, der mir im Kopf geblieben ist. Es schneite für unsere Region ungewöhnlich viel und heftig. Für mich war klar, dass ich an diesem Tag zu Hause in Ayegui bleibe und mit meinen Freunden im Schnee spielen würde. Also sagte ich meiner Mum: „Ich gehe raus zu den Jungs. Schlitten fahren und Schneebälle werfen.“ Sie erwiderte: „Javi, kommt nicht in Frage. Du musst zum Training.“ Ich zeigte aus dem Fenster. „Bei dem Schnee wird keiner zum Training kommen.“ Ihr Blick war freundlich, aber bestimmend: „Du hast dich für Fußball und deine Mannschaft entschieden. Und wenn man für etwas Verantwortung übernimmt, hat man zu dieser zu stehen. Egal, ob es schneit oder nicht.“
Ärger vom Trainer?
Kurze Zeit später saßen wir beide im Auto. Wir haben über zwei Stunden für die Strecke nach Pamplona benötigt. Teilweise war die Straße aufgrund des starken Schneefalls nicht mehr zu erkennen. Natürlich waren wir dadurch spät dran. Die einzige Sorge meiner Mum war, dass ich deshalb Ärger von meinem Trainer bekommen würde.
Doch als wir am Trainingsplatz ankamen, war niemand da. Nur meine Mum und ich. Plötzlich kam der Akademieleiter aus dem Gebäude. „Javi, was machst du hier?“, fragte er mich verwundert. „Wir haben Training“, sagte ich. Der Akademieleiter schüttelte den Kopf: „Die Jungs aus Pamplona wohnen gerade mal fünf Minuten vom Platz entfernt und sind zu Hause geblieben. Und du bist den ganzen Weg hierher aus Ayegui gekommen. Es tut mir leid, Javi, das Training findet heute nicht statt.“
Also fuhren meine Mum und ich wieder zurück. Wieder benötigten wir über zwei Stunden. Doch weder sie noch ich ärgerte sich darüber.
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