Beste junge Spielerin der WM, beste Nationalspielerin des Jahres, die meisten Follower im deutschen Frauenfußball. Giulia Gwinn vom FC Bayern München ist in den vergangenen Monaten zum Star der Branche aufgestiegen. Und daran als Mensch gereift.
Giulia Gwinn, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ein eigenes Label zu gründen?
Mir schoss schon mal der Gedanke durch den Kopf, dass es cool sein müsste, irgendwann ein eigenes Shirt zu entwerfen. Weil mich Mode interessiert und ich supergerne shoppe. Außerdem absolviere ich ja auch ein Sportmanagement- Fernstudium. Aber gleich ein eigenes Label gründen? Da spiele ich wohl doch besser erst mal weiter Fußball.
An jungen Käufern für Ihre Produkte würde es wohl kaum mangeln. Bei Instagram sind Sie mit über 215.000 Abonnenten die erfolgreichste deutsche Fußballspielerin und damit eine erfolgreiche Influencerin.
Es ist schon Wahnsinn, was da in den vergangenen Monaten passiert ist. Mein Kanal ist seit der Weltmeisterchaft im letzten Sommer regelrecht explodiert. Einerseits freut mich das, weil es zeigt, dass meine Inhalte, die ich poste, bei den Leuten gut ankommen. Anderseits nehme ich die große Abonnentenzahl nicht zu ernst, weil ich auf Instagram nicht aktiv bin, um so viele Abonnenten wie möglich zu haben.
Sondern?
Sondern um die Leute, die an mir Interesse haben, über mich auf dem Laufenden zu halten und mit ihnen in Kontakt zu sein. Ich kann ja leider nicht jeden persönlich anrufen oder anschreiben. Von daher bietet Instagram mir einfach eine tolle Gelegenheit der Kommunikation, bei der keiner bevor- oder benachteiligt wird und trotzdem authentisch etwas von mir erfährt. Ich mag daher den Begriff Influencerin auch gar nicht so gerne, auch wenn mir klar ist, dass ich mittlerweile auf dieser Plattform eine gewisse Vorbildfunktion habe.
Wie gehen Sie als 20-Jährige damit um?
Letztendlich ist jeder für seine Social-Media-Aktivitäten persönlich verantwortlich und sollte sich bewusst machen, dass Facebook Instagram und Co. keine Spielwiesen sind. Sondern sie stellen gerade in unserer Generation eine vielbeachtete Kommunikationsplattform dar, auf der man insbesondere als Nationalspielerin authentisch, jedoch immer mit Respekt agieren sollte. Ich denke lieber zweimal nach, bevor ich unbedacht irgendwas Sinnfreies in die Welt setze.
Was halten Sie generell von der gesellschaftlichen Social-Media-Diskussion?
Meine Eltern hatten früher jeden Morgen die Tageszeitung auf dem Tisch. Meine Generation informiert sich überwiegend online. Und dabei spielt Social Media eben eine zentrale Rolle. Diese neuen Medien sind Teil des Alltags. Ob man das jetzt gut findet oder nicht. Über die Art und Weise der Nutzung kann man aber sicherlich verschiedener Meinung sein. Mir macht Instagram viel Spaß, ich weiß aber auch, dass dabei verantwortungsvoller Umgang erforderlich ist.
Der Spiegel schrieb bereits von der Generation Gwinn.
Als ich das las, musste ich zunächst schmunzeln. Ich will mir nicht anmaßen, für eine ganze Generation zu stehen. Aber ich kann sehr wohl für mich sprechen. Und der Nachname Gwinn verpflichtet natürlich in gewisser Weise. (lacht)
Wie sehen Sie sich selbst?
Ich bin eine sehr ehrgeizige und zielstrebige Person. Ich will immer gewinnen und weiß, dass ich dafür viel investieren und auch auf gewisse Dinge verzichten muss. Nichtsdestotrotz bin ich nicht nur eine Fußballerin, sondern vor allem auch eine junge Frau, die Spaß am Leben hat und ganz normale Hobbys, die andere junge Frauen in meinem Alter auch haben. Ich shoppe wie eingangs erwähnt wirklich gerne und gehe auch gerne ins Kino. Ich denke, bei mir ist es eine Mischung aus lebensfroher Unbeschwertheit und absoluter Fokussierung auf die sportlich höchstmöglichen Ziele. Am Ende geht es darum, als Mensch zu gewinnen und all die Erfahrungen, die man macht, als Möglichkeit zu begreifen, sich selbst weiterzuentwickeln. Das klingt vielleicht etwas philosophisch, aber mir ist insbesondere in den vergangenen Monaten bewusst geworden, dass man möglicherweise nicht jedes einzelne Spiel gewinnen kann. So ordne ich mittlerweile auch die anfangs schmerzhafte Erfahrung im WM-Viertelfinale ein. Vielleicht hilft mir diese Niederlage jedoch für große Siege in der Zukunft. Ich mag mal fallen, aber kein Sturz hält mich davon ab, wiederaufzustehen.
Der Artikel erschien zuerst in Ausgabe #41 im März 2020. Hier klicken und nachbestellen
Sie hatten sich im Oktober bei einem Zweikampf im Training die Schulter verletzt. Sie mussten operiert werden, fielen drei Monate aus. Wie schwer fiel Ihnen die Pause?
Anfangs megaschwer. Es war meine erste größere Verletzung. Daheim hatte ich gelegentlich das Gefühl, mir würde die Decke auf den Kopf fallen. Aus diesem Grund habe ich die Reha dann auch am Campus beim FC Bayern absolviert, einfach um möglichst nah an der Mannschaft zu sein. Das hat gutgetan. Und nun bin ich einfach nur froh, dass ich wieder auf dem Platz stehen und mithelfen kann, unsere Saisonziele zu erreichen.
Die lauten?
Wenn man für den FC Bayern aufläuft, werden immer Titel erwartet. Diese Erwartungshaltung hat sich der Verein mit toller und erfolgreicher Arbeit über Jahrzehnte hinweg aufgebaut. Und klar, auch ich will in der Zukunft mit diesem Verein Titel gewinnen. In dieser Saison haben wir allerdings die Jägerrolle inne – und ich kann sagen: Wir alle haben große Lust zu jagen. Es ist unser klares Ziel, uns erneut für die Champions League zu qualifizieren. Dafür müssen wir mindestens Zweiter werden.
Keine leichte Aufgabe.
Ganz und gar nicht. Wolfsburg ist aktuell in Deutschland das Maß aller Dinge. Und Hoffenheim spielt eine beeindruckend konstante Serie. Aber wir haben genug Qualität im Kader, um unseren Ansprüchen und Erwartungen in der zweiten Saisonhälfte noch gerecht zu werden.
Inwiefern hat Sie auch Ihr Wechsel im Sommer zum FC Bayern weitergebracht?
Ich hatte mir meine Entscheidung damals wirklich nicht leicht gemacht, weil ich mich in Freiburg superwohl gefühlt hatte. Aber es war einfach Zeit für den nächsten Schritt. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es die absolut richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt war. Beim FC Bayern ist das Niveau auf und neben dem Platz noch mal ein anderes. Wir haben extrem professionelle Bedingungen am Campus, spielen in der Champions League und sind in der Bundesliga oben dabei. Es ist all das eingetreten, was ich mir als junge Spielerin gewünscht und von meinem Wechsel nach München erwartet habe. Ich denke, ich kann sagen, dass ich durch den Wechsel als Fußballerin, aber auch als Person gereift bin.
Hat dazu auch die WM beigetragen, bei der Sie als beste junge Spielerin ausgezeichnet wurden?
Ganz sicher. Ich bin seitdem viel stärker in den öffentlichen Fokus gerückt. Medien- und Sponsorentermine haben deutlich zugenommen. Auf der Straße werde ich jetzt öfter erkannt. An all diesen Aufgaben bin ich gewachsen. Das alles zu meistern, hat mir rückblickend zusätzliches Selbstvertrauen und noch mehr Selbstsicherheit verliehen.
Das Jahr 2020 begann mit einer weiteren persönlichen Auszeichnung: Mit über 50 Prozent der Stimmen wählten die Fans Sie zur Nationalspielerin des Jahres 2019.
Als ich diese Werte gesehen habe, dachte ich einfach nur: Wow! Es ist schön, so eine Wertschätzung von den Fans zu bekommen und zu wissen, dass einen so viele unterstützen. Mir ist aber auch klar, dass so eine Auszeichnung ohne eine großartige Mannschaft nie möglich wäre. Deshalb bin ich einfach froh und dankbar, Teil des Teams zu sein.
Was dürfen wir vom DFB-Team erwarten?
Nachdem wir uns ja leider nicht für Olympia qualifiziert haben, begreifen wir die Situation jetzt als Chance. Wir haben einen recht großen Umbruch vollzogen und eine junge Mannschaft, die dadurch vielleicht noch mehr Gelegenheit hat, sich zu finden und zusammenzuwachsen, um danach die letzten Schritte Richtung Europameisterschaft 2021 in England machen. Da sind wir auf einem guten Weg.
Mit dem EM-Titel könnte man dann ja noch mal die Idee eines eigenen Labels aufgreifen.
Wenn es so kommt, können wir gerne noch mal über das Thema reden. (lacht)