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Carro im Interview: "Man kann nicht zufrieden sein"

Carro im Interview: "Man kann nicht zufrieden sein"

Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bayer Leverkusen, sieht den Werksklub gut aufgestellt - auch wenn Vereins-Ikone Rudi Völler die Rheinländer im kommenden Jahr verlässt. Im Interview findet Carro aber auch kritische Töne.


Bayer Leverkusen kämpft in den letzten drei Bundesliga-Spieltagen noch um einen Platz im internationalen Geschäft. Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, die Champions League noch zu erreichen?

Die Champions League ist mathematisch noch erreichbar. Aber man muss realistisch sein, das wird sehr schwierig. Umso wichtiger wird es sein, jedes der kommenden Spiele mit vollem Ehrgeiz anzugehen, um zumindest den Europa-League-Platz zu sichern.

Wie fällt Ihr Gesamtfazit für die Saison 2020/21 aus?

Ein Fazit ziehe ich grundsätzlich erst nach der Saison. Aber Tatsache ist, dass wir in dieser Saison kaum noch ein Ziel werden erreichen können. Aus der Europa League sind wir zu früh ausgeschieden, genauso wie im Pokal - gegen einen Regionalligisten. Damit kann man bei unseren Ansprüchen nicht zufrieden sein. In der Bundesliga sehe ich uns nach dem Trainerwechsel auf einem guten Weg. Hier müssen wir jetzt mal abwarten, wie die Saison endet.

Kurz vor Weihnachten war Bayer Tabellenführer, dann kam eine unglückliche 1:2-Niederlage gegen Bayern München. Ab diesem Zeitpunkt ist die Saison in eine andere Richtung verlaufen. Haben sie zu lange an Trainer Peter Bosz festgehalten?

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Wir haben mit Peter Bosz lange sehr gut Fußball gespielt. Peter hat gut zu uns gepasst, aber am Ende ist der Fußball ein Ergebnissport. Der Wechsel zu Hannes Wolf hat uns nun zum Glück einen positiven Effekt gebracht. Wir haben in den letzten fünf Spielen mit ihm zehn Punkte geholt. Die Zahlen sprechen für sich. Ob es zu spät war, müssen andere beurteilen.



Sie haben in Wolf einen Trainer vom DFB bis zum Saisonende ausgeliehen. Wie stehen seine Chancen für eine Weiterbeschäftigung über diese Saison hinaus?

Es ist zu früh, das zu beurteilen. Er ist natürlich eine mögliche Option. Aber wir werden auch in Ruhe und sehr gewissenhaft andere Möglichkeiten ausloten. Am Ende werden wir gemeinsam die Alternativen, die wir haben, abwägen. Für den Moment sind wir mit der Arbeit von Hannes und seinem Team sehr zufrieden.

Sie haben in der Winterpause schon einige Transfers getätigt. Ist noch Geld da für Transfers im Sommer oder werden Sie in Anbetracht der Pandemie eher zurückhaltend agieren?

Natürlich spielt die Pandemie eine große Rolle. Der Transfer von Kai Havertz im letzten Sommer hat uns zum Glück Spielraum gegeben, dennoch sind wir eher vorsichtig gewesen. Wir haben für diesen Sommer allerdings - trotz der getätigten Transfers im Winter - Handlungsbedarf. Lars und Sven Bender beenden ihre Karriere. Der Vertrag von Aleksandar Dragovic läuft aus. Sie dürfen also davon ausgehen, dass wir nicht untätig in den Sommer gehen werden.

Sport-Geschäftsführer Rudi Völler hört nach der kommenden Saison auf. Haben Sie sich schon Gedanken über die Nachfolge gemacht? Wird vielleicht jemand aus der Führungsebene im sportlichen Bereich wieder aufrücken?

Rudi Völler ist das Aushängeschild von Bayer 04. Wenn er aufhört, wird er eine große Lücke hinterlassen. Gleichzeitig sehe ich uns bei Bayer 04 sehr gut aufgestellt, wir haben eine Menge kompetenter und engagierter Menschen im Verein. Wie die genaue Konstellation in einem Jahr aussieht, darüber muss ohnehin der Gesellschafterausschuss entscheiden. Wir bereiten uns professionell und mit Weitsicht darauf vor.

Die Super League war das beherrschende Thema in der vergangenen Woche. Was wird das für Auswirkungen haben auf den Fußball, sind die Risse noch zu kitten?

Es wird natürlich schwierig sein, das Vertrauen zwischen einzelnen Personen und auch Vereinen wiederherzustellen. Es wird eine Zeit brauchen. Aber am Ende muss es unsere Aufgabe sein, an einem Tisch zu sitzen. Wir müssen weiter konstruktiv und professionell an tragfähigen Lösungen für den Fußball der Zukunft arbeiten.



Wie können diese Lösungen aussehen?

Die Materie ist komplex, denn die Interessen auf dem europäischen Fußball-Parkett sind sehr unterschiedlich. Es wird für die Zukunft darum gehen, den Spagat zwischen dem eher traditionellen Verständnis von sportlichem Wettbewerb und den wirtschaftlichen Interessen von modernen Fußball-Unternehmen zu schaffen. Das geht nur über Kompromissfähigkeit von allen Seiten. Und über Kompromisse, mit denen dann alle Beteiligten leben und arbeiten können – ohne auszuscheren. Ich will hier gerne meinen Beitrag leisten.

Ein Salary Cap wird heiß diskutiert, und dieser Gehaltsobergrenze wird auch eine gute Chance gegeben, sich durch EU-Recht bestätigen zu lassen. Oder wäre während der weltweiten Finanzkrise aufgrund von Corona zum Beispiel auch ein Gehaltsschnitt von 30 bis 40 Prozent denkbar?

Von meiner persönlichen Einstellung her und angesichts der Entwicklungen im Profifußball bin ich für eine Gehaltsobergrenze. Ich bin jedoch skeptisch, ob sie sich umsetzen lässt - selbst wenn sie formal durch EU-Recht gedeckt wäre. Wir haben genügend Beispiele, wo Regulation keinen positiven Effekt herbeigeführt hat. Wenn alle Fußballklubs verantwortungsbewusst mit ihren Ressourcen umgehen würden, so wie es übrigens im deutschen Fußball weitestgehend der Fall ist, dann wären wir auch im europäischen Umfeld schon einen großen Schritt weiter.

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