Dass sich DFL und DFB gegen die Anfeindungen von Dietmar Hopp wehrt, ist richtig. Allerdings setzt die Bundesliga falsche Prioritäten, denn Fußball-Deutschland hat weitaus größere Probleme. Der Kommentar von SOCRATES-Chefredakteur Fatih Demireli.
Philippe Coutinho oder Joshua Zirkzee waren sicherlich etwas genervt. Es war ihr Fußball-Nachmittag, an dem sie in der Bundesliga endlich mal von Anfang an glänzen durften. Coutinho schoss zwei Tore, nachdem man ihm wochenlang Formschwäche attestierte. Zirkzee war haalandisch unterwegs und erzielte bei seinem Startelf-Debüt für den FC Bayern in Hoffenheim sein drittes Bundesliga-Tor, benötigte dafür insgesamt 26 Minuten.
Gut möglich, dass die beiden Filigrantechniker aus Brasilien und den Niederlanden erstmal nicht wussten, was da gerade in der PreZero Arena zu Sinsheim geschieht. Warum Schiedsrichter Christian Dingert das Spiel erst einmal unterbrach, dann Minuten später beide Mannschaften in die Kabine schickte, während ihre Vorgesetzten vor der Kurve, wo die Bayern-Fans sitzen (oder stehen), wild gestikulieren. Inzwischen sollten sie erfahren haben, dass Zuschauer im Fanblock Banner ausrollten, in denen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp auf heftigster Weise beleidigt wurden. Ein komplettes Unding, völlig klar, dass man da eingreifen muss.
Deutschlands Antwort auf Rassismus ist Cacau
Coutinho wird sich vielleicht gedacht haben: „Wow! Schön, wie sensibel sie hier in Deutschland mit diesen Themen umgehen.“ Vielleicht wird er ja in der Heimat davon erzählen, ja davon schwärmen, welch solidarische Kraft hinter dem deutschen Fußball steht. Vielleicht werden die brasilianischen TV-Sender dann einen Beitrag produzieren, Mitschnitte vom Live-Kommentar des Spiels Hoffenheim gegen Bayern München zeigen (die DFL wird da mal sicher eine Ausnahme machen und es erlauben) und dokumentieren, wie der Kommentator mit voller Inbrunst gegen Beleidigungen vorging, wie er klatschte, als es die Zuschauer, Spieler, Funktionäre und Milliardäre in Sinsheim taten. Wie er sich seinen journalistischen Pflichten entledigte, um Solidarität zu demonstrieren.
Deutschlands Antwort auf Beleidigungen dieser Art ist geschlossene Solidarität, werden sie sagen und merken. Dann werden sie Coutinho fragen, wie es beim Rassismus aussieht. Das ist ja auch ein großes Thema in Brasilien. Und Coutinho wird sagen: Deutschlands Antwort auf Rassismus ist Cacau. Ein Landsmann, der einst sogar deutscher Nationalspieler war, ist Integrationsbeauftragter beim Deutschen Fußball-Bund und soll sich darum kümmern, dass... ja... irgendwas mit Integration. Cacau weiß das selbst nicht so genau.
Welche Phase bei Torunarigha?
Cacau weiß leider eigentlich selten etwas. Das Einzige, was er offenbar gut kann, ist bestürzt zu sein, wenn sich irgendwo im deutschen Fußball-Umfeld ein rassistischer Vorfall ereignet. Dann darf dieser Cacau ins Fernsehen, ein paar auswendig gelernte Antworten vortragen, traurig gucken und wieder gehen. Man darf dem DFB sicher nicht unrecht tun, Cacaus Anstellung wird nicht die einzige Maßnahme in der Bekämpfung von Rassismus sein. Aber was es auch ist: Es ist nicht genug.
So einen Drei-Stufen-Plan, den es im Fall von Dietmar Hopp gab, der dafür gesorgt hätte, dass die Bayern das Spiel, das sie mit 6:0 geführt hatten, am grünen Tisch verlieren, wurde tatsächlich erstmals im Fall von Hopp richtig bekannt. Welche Phase wurde eigentlich eingeleitet, als Jordan Torunarigha in Gelsenkirchen rassistisch beleidigt wurde? Auch wenn er es in seinen Tagebüchern nie schrieb, ist bekannt, dass Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann den Fall beim Schiedsrichter meldete. Doch dessen nächste Stufe war die Gelb-Rote-Karte für den aufgelösten Torunarigha.
Kein Mensch verdient Beleidigungen
In Münster wurde Würzburgs Leroy Kwadwo rassistisch angegangen. Aktiv wurden dort aber vielmehr die Fans von Preußen Münster, die Eigeniniative ergriffen hatten, um den Rassisten unter sich ausfindig zu machen. Griff dort der Stufen-Plan des DFB, der für die 3. Liga zuständig ist? Ach ja: Wie sieht es eigentlich um die Ermittlungen gegen Daniel Frahn aus? Der Mann, der seine Nähe zur rechtsradikalen Szene offen zur Schau trug und nun völlig ohne Hürden nach Babelsberg wechseln durfte.
Leider lässt sich diese Liste ewig weiterführen, doch auf ein Exempel musste man leider ewig warten. Dieser wurde bei Hopp statuiert. Ich muss zugeben, dass er mir leidgetan hat. Kein Mensch verdient Beleidigungen dieser Art. Hopp war sichtlich mitgenommen, aber reicht das, um bei ihm den Anfang zu machen? „Hopp hat so viel getan und verdient Respekt“, hört man immer wieder als Argument, warum man den SAP-Gründer nicht beleidigen darf.
Das falsche Exempel
Erstmal bedarf er keiner Gründe, irgendjemanden zu beleidigen oder zu diffamieren, andererseits stellt sich dann die Frage: Darf man also jeden anderen, der nicht so viel getan hat, also vielleicht dann doch mal beleidigen? Hätte Leroy Kwadwo einfach mal sein ganzes Hab und Gut investieren sollen, damit man von ihm sagen kann: „Er hat so viel für Würzburg und die Region getan.“ Reicht es nicht, dass er und Jordan Torunarigha einfach nur Menschen sind?
Das Argument zieht nicht und Hopp ist auch das falsche Exempel, um gegen Diskriminierung vorzugehen. In Zeiten des Rechtsrucks, in Zeiten von Hanau, in Zeiten von AfD gibt es genug Anlässe und genug Exempel, um wirksam zu reagieren und der viel zitierten Vorbildsfunktion gerecht zu werden. Hoffenheims Geschäftsführer Dr. Peter Görlich sagte nach den Vorfällen in Sinsheim, dass das Vorgehen gegen die Beleidigungen ein tolles Beispiel sei, „bis runter zu den Amateurligen“. Dr. Görlich mag recht haben, aber die größten Probleme an der Basis sind nicht gekränkte Milliardäre, sondern rassistisch und leider auch antisemitisch angefeindete Hobbysportler.
Wenn die DFL und DFB den Fall Hopp nun zum Anlass nehmen, ab sofort gegen jede Art von Diskriminierung vorzugehen – und zwar auf exakt gleicher Weise – dann hat die Aktion etwas gebracht. Wenn ab sofort jedes Spiel unterbrochen wird, wenn in Stadien beleidigt wird, dann war es eine gute Tat. Wenn nicht, wird Coutinho nicht viel Gutes zu berichten haben.
Fatih Demireli