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Gott mit Makel

Gott mit Makel

Diego Armando Maradona war vielleicht der beste Fußballer der Welt, er schoss das schönste WM-Tor aller Zeiten, er veränderte Welten. Ein Happyend erlebte Maradona selbst nur selten.


Zwischendurch dann mal Weißrussland. Dinamo Brest. Vorstandsvorsitzender mit strategischen Aufgaben. Soso. Warum auch nicht? Nicht unerheblichen Anteil an der Legende des Diego Armando Maradona hat der Umstand, dass man sich immer wieder über ihn wundern kann oder sogar muss.

Topmanager im osteuropäischen Niemandsland bei einem neureichen Klub mit unübersichtlichen Besitzverhältnissen passt irgendwie in eine Reihe mit mehr oder eher weniger erfolgreichen Engagements in Dubai, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder seiner argentinischen Heimat.

Der Beste?!

Ein Übriges tun exaltierte öffentliche Auftritte wie etwa sein hochnotpeinliches Tänzchen zur Feier der Wiederwahl von Venezuelas höchst umstrittenem Präsidenten Nicolas Maduro. Höchst umstritten ist Maradona selbst, wobei freilich unumstritten ist, dass er einer der begnadetsten Fußballer aller Zeiten war.

Fragt man Kapazitäten wie Ryan Giggs, Paolo Maldini, Gary Lineker und viele andere, dann lassen sie keinen Zweifel: Maradona war der Beste überhaupt. „Selbst wenn ich eine Million Jahre spielte, käme ich Maradona nicht nahe. Er ist der Größte, den es je gab“, sagt Lionel Messi.

Als Diego erwachsen wird

Die Geschichte des Fußballers Diego Armando Maradona liest sich wie ein Märchen. Er wird am 30. Oktober 1960 geboren und wächst in ärmlichen und äußerst beengten Verhältnissen mit sieben Geschwistern in Villa Fiorito auf, einer Armensiedlung am Rande der Metropole Buenos Aires. Er ist ein Pimpf und nur acht Jahre alt, als ihn ein Scout der Argentinos Juniors, immerhin ein Klub aus der ersten Liga, entdeckt und in die Jugendabteilung des Vereins holt. Diego wird im Handumdrehen zu einer lokalen Sensation, weil die „Zwiebelchen“ mit ihm, den sie bald den Goldjungen („El Pibe de Oro“) nennen, buchstäblich unschlagbar sind.

1976 ist ein schicksalsschweres Jahr für Argentinien. General Jorge Rafael Videla kommt an die Macht und überzieht das Land mit einem Staatsterror, dem Tausende Menschen zum Opfer fallen. 1976 ist auch das Jahr, in dem Diego fußballerisch erwachsen wird, dabei ist er eigentlich noch ein Kind.

Mit nicht einmal 16 debütiert er in der ersten Liga, mit gerade mal 16 spielt er erstmals für die Nationalmannschaft, die Albiceleste. 1978 wird Argentinien allerdings ohne sein größtes Fußballtalent Weltmeister, weil ihn Trainer Cesar Luis Menotti nicht für robust genug hielt.

La Bombonera verfällt ihm

Diegos Aufstieg schreitet dennoch in rasendem Tempo voran. Er wird U-20-Weltmeister, mit 19 erstmals Fußballer des Jahres in Südamerika und Argentinien und freilich Stammspieler in der Nationalmannschaft. Er schießt Tore am Fließband für seinen Verein, bis ihn 1981 die großen Boca Juniors für viel Geld holen. Auch „La Bombonera“ verfällt Diego sofort mit Haut und Haaren und wenngleich die WM 1982 trotz hoher Erwartungen zum Reinfall wird, macht er danach den großen Schritt nach Europa.

Seine zwei Jahre in Barcelona stehen zwar unter keinem guten Stern, der „Schlächter von Bilbao“ lässt grüßen, doch bilden sie den Übergang in seine Blütezeit als Fußballer. Bis heute mutet es wie der Witz des Jahrhunderts an, dass Diego Maradona ausgerechnet nach Neapel wechselte und bis heute ist völlig schleierhaft, wie Napoli an die 24 Millionen D-Mark

Ablöse gekommen sein könnte, doch Fakt ist: Der beste Spieler der Welt verließ damals den mondänen FC Barcelona, um bei einem chronisch erfolglosen Klub in einer chaotischen, bitterarmen und vom Rest Italiens mindestens ignorierten, eher aber verachteten Stadt anzuheuern. 

Das schönste Tor und die Hand Gottes

Der Witz des Jahrhunderts entpuppt sich als Liebe fürs Leben. Neapel vergöttert Maradona und Maradona spielt Fußball wie ein Gott und überschüttet die Società Sportiva Calcio Napoli mit Ruhm und Titeln.

Sich selbst krönt er 1986 zum Allergrößten, zum König der Welt. Und streng genommen braucht er dafür nicht einmal vier Minuten. Im Viertelfinale sorgen er und die Hand Gottes für das 1:0, kurz darauf schießt er das schönste Tor der WM-Geschichte. Alles was danach kommt, ist bereits das Werk eines Genies. Im Halbfinale ist Belgien machtlos gegen seine Spielkunst, wieder erzielt Diego beide Tore, im Finale zwingt sein genialer Pass Deutschland in die Knie. Argentinien ist Weltmeister, Maradona ist Weltmeister.

Seine Genialität als Fußballer geht einher mit einer Flut von Skandalen, privaten Problemen und persönlichen Verfehlungen. Höchst umstritten ist Diego Armando Maradona nicht erst auf seine alten Tage, sondern schon in jungen Jahren. Er erlebt kein Happy End in Barcelona, keines bei Napoli und keines als Nationalspieler. Und doch ist sein Vermächtnis als Fußballer und als Identifikationsfigur für Millionen über alle Zweifel erhaben.

In Neapel heißt es voller Ehrfurcht „Ich habe Maradona gesehen“ – und wer ihn hat spielen sehen, wird ihn nie vergessen.

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