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Ada Hegerberg: „Ich bin keine Frau, die Fußball spielt“

Ada Hegerberg: „Ich bin keine Frau, die Fußball spielt“


Ada Hegerberg ist erst 23 und aktuell die beste Fußballerin der Welt. Was sie zum Thema Gleichberechtigung, zum Sexismus-Eklat von Paris und ihrem Rücktritt aus der Nationalmannschaft zu sagen hat, verrät sie im Exklusiv-Interview. Ada Hegerberg, im vergangenen Dezember gewannen Sie den erstmals an eine Frau vergebenen Ballon d’Or als weltbeste Spielerin. Wie haben Sie diese Auszeichnung aufgenommen? Ich war unglaublich stolz. Ich bin eigentlich vorsichtig mit dem Wort Stolz, aber es passt einfach zu dieser besonderen Ehrung. Mit Olympique Lyon gewannen wir im Mai erneut die Champions League, was sicherlich zu meiner Wahl beigetragen hat. Es hätte aber auch genauso gut eine Kollegin von OL werden können. Ich verstehe den Ballon d’Or auch als Lohn für die Arbeit der vergangenen Jahre. Als Kind habe ich immer davon geträumt, Titel zu gewinnen, aber das hat mich schon sprachlos gemacht … natürlich im positiven Sinne. (lacht) Und was bedeutet es Ihnen, dass Sie die erste Frau sind, die diese Ehrung erfährt? Das ist eine historische Sache, die für den gesamten Frauenfußball einen großen Schritt nach vorn bedeutet. Jedes Mädchen, das selbst Fußball spielt und die Zeremonie in Paris verfolgt hat, ist mit Sicherheit davon beeinflusst worden. Bei mir wäre es jedenfalls so gewesen, als ich 16, 17, 18 war. Dass ich nun die erste Frau bin, erfüllt mich mit Glück und Stolz, und mir ist auch klar, dass ich eine noch etwas größere Verantwortung trage, unsere Sportart bekannter zu machen. In Norwegen haben Sie bestimmt schon Legendenstatus. Ja, das kann man inzwischen wirklich so sagen. Es berührt mich, weil in meinem Heimatland ja eher der Wintersport populär ist. Irgendwie ist es merkwürdig, dass eine Norwegerin den Ballon d’Or gewinnt. (lacht) Aber vielleicht ist es auch eine tolle Werbung für den Fußballsport in meinem Land. Wie haben Sie davon erfahren, dass Sie die Siegerin sind? Ich kam gerade von einer Trainingseinheit in Lyon zurück in die Kabine, als mich der Pressesprecher ansprach und fragte, ob ich ein Geheimnis für mich behalten könnte. „Du könntest mir ruhig etwas mehr vertrauen“, habe ich im Spaß zu ihm gesagt. Und dann hat er mir die Neuigkeit verraten. Wir waren beide gerührt, und ich hatte Tränen in den Augen. Hat der Preis etwas in Ihrem Leben verändert? Wenn schon die New York Times extra für mich nach Lyon kommt, um mich zu interviewen, dann bin ich auf der einen Seite irgendwie stolz und auf der anderen auch leicht überfordert. Ich habe sogar Anfragen aus Indien und Island bekommen. Die ganze Welt hat sich plötzlich für mich interessiert. Bestand die Gefahr, dass Sie abheben? Nein, für mich ist es gar kein Problem, die Gleiche zu bleiben. Es ist eine unglaublich tolle Gelegenheit, um mehr über den Frauenfußball zu berichten und die will ich nutzen. Wollen Sie diesen persönlichen Erfolg wiederholen? Selbstverständlich. Ich bin sehr ehrgeizig. Nun genieße ich in vollen Zügen diese erste individuelle Auszeichnung. Ich lebe gern in der Gegenwart, aber ich weiß auch: Wenn ich weiter hart an mir arbeite, werde ich gute Chancen haben, solche Erlebnisse zu wiederholen. Es wird womöglich schwieriger für Sie, weil Sie ja vor einigen Monaten aus der Nationalmannschaft zurückgetreten sind. Folglich wird man Sie bei der WM im Sommer in Frankreich nicht zu Gesicht bekommen. Warum haben Sie das gemacht? Weil ich der Meinung bin, dass man mutige Entscheidungen wie diese fällen muss, wenn man dauerhaft gute Leistungen auf dem höchsten Niveau bringen will. Ich habe lange darüber nachgedacht und die Entscheidung noch keine Sekunde bereut. Man sollte seiner eigenen Linie treu sein, was ich in diesem Fall tue. Bei der Preisverleihung sorgte der französische DJ Martin Solveig für einen Eklat, als er Sie nach Ihren Twerking- Fähigkeiten fragte. Solveig zog damit einen gewaltigen Shitstorm auf sich. Wie ging es Ihnen damit? Im ersten Moment habe ich das gar nicht so mitbekommen. Ich hatte den Ballon d’Or im Arm und war irgendwo anders, wahrscheinlich auf Wolke sieben. Wir haben später sogar miteinander getanzt und ich habe es ihm nicht übelgenommen. Natürlich hätte ich mir eine Frage zum Fußball gewünscht, das wäre angemessener gewesen. Sie legen viel Wert darauf, dass man es mit der Geschlechterdifferenzierung nicht übertreibt. Warum? Weil ich aus einer Familie komme, in der es völlig selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleich sind. In Norwegen ist man bei dieser Thematik sehr weit. Ich habe mich noch nie als eine Frau gesehen, die Fußball spielt, sondern als Fußballer. Es ist aber noch ein weiter Weg, bis man wirklich von Gleichberechtigung sprechen kann. Aber reden sollte man jeden Tag darüber, denn das Thema ist wichtig. Mit ein bisschen Abstand: Wie war das Jahr 2018 für Sie? Einfach unglaublich, traumhaft schön. Der Höhepunkt war sicher der dritte Champions- League-Titel mit Lyon in Folge. Ich stecke mir immer hohe Ziele und wollte um die 50 Tore erzielen, was mir auch gelungen ist. Mein Spiel hat sich in den vergangenen Monaten prächtig entwickelt. Was können Sie noch besser machen? Es geht um Details, um ein paar Prozent. Die Effizienz vor dem gegnerischen Tor könnte noch besser sein, auch die Abstimmung mit meinen Mitspielerinnen. Sie sind mit 50.000 Euro Gehalt im Monat sehr gut bezahlt und bekommen fast so viel wie viele Männer in der Ligue 1. Damit sind Sie aber die Ausnahme. Ich habe sehr wohl ein Verständnis dafür, dass der Unterschied zwischen Mann und Frau in der Bezahlung relativ groß ist und auch bleiben wird. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind eben völlig andere. Ich sehe aber auch, dass der Unterschied etwas kleiner geworden ist. Mir ist wichtig, dass Mädchen die gleichen Chancen bekommen wie die Jungs, aber davon sind wir leider noch weit entfernt. Ihr Mann Thomas Rogne ist ebenfalls Profi. Er spielt bei Lech Posen in Polen und in der norwegischen Nationalmannschaft. Wären Sie bereit oder bereit gewesen, Ihre Karriere für ihn zu opfern? Nein, das denke ich nicht. Unsere Beziehung funktioniert auch deshalb, weil wir beide unsere Berufe zu 100 Prozent respektieren. Für uns beide kommt solch eine Art der Aufopferung nicht infrage. Wir führen eine Fernbeziehung, was nicht immer einfach ist, aber wir unterstützen uns gegenseitig. Welches Klischee über den Frauenfußball finden Sie eigentlich am schlimmsten? Das werde ich Ihnen hier nicht sagen, weil es sonst die Kritiker für Ihre Zwecke verwenden würden. Es wird immer Idioten geben, aber ich beschäftige mich lieber mit den Leuten, die uns gern zuschauen. Wer war Ihr Idol? Früher gab es wenige Spiele der Frauen im Fernsehen, allenfalls die WM, deshalb habe ich öfter bei den Männern zugeschaut. Und wenn ich Thierry Henry am Ball sah, mit seiner Eleganz, seiner Geschwindigkeit und dieser Effizienz vor dem Tor, war ich immer hellauf begeistert. Heutzutage haben die jungen Mädels deutlich mehr Gelegenheiten, Frauenfußball im Fernsehen zu verfolgen. Stimmt die Geschichte, dass Sie durch den Film Kick It Like Beckham Lust auf Fußball bekommen haben? Das erzählt jedenfalls Ihre Schwester Andrine, die bei PSG spielt. Ich kenne einige Mädels, die nach diesem Film mit dem Fußball begonnen haben und verrückt nach Fußball wurden. Ich gehöre auch dazu. Zwar steckte der Film voller Klischees, doch sorgte er dafür, dass der Frauenfußball einen Boom erlebte. Andrine und ich haben ihn bestimmt 100 Mal gesehen. Ihre Wahlheimat Frankreich ist Schauplatz der nächsten WM. Wie wichtig ist dieses Turnier? Es ist eine weitere Chance und die gilt es zu nutzen. Ich hoffe sehr, dass die durch den Erfolg der Männer entstandene Fußball-Euphorie für volle Stadien in Frankreich sorgen wird. 24 Nationen nehmen an der WM teil. Nur neun davon haben eine Frau als Trainer. Ist das zu wenig?  Das sehe ich nicht so, weil in meinen Augen die Kompetenz wichtiger sein sollte als das Geschlecht. Ich finde auch, dass die Männer bessere Führungsqualitäten haben. Viele Frauen müssen noch mehr Gas geben, um höhere Ziele zu erreichen. Interview: Alexis Menuge

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